Verantwortung, Gemeinschaft, Europa
Das Erbe des Kreisauer Kreises heute

Veranstaltungsbericht zur Veranstaltung am 02.09.2022 im Haus am Dom, Frankfurt am Main

Gespräche mit ZeitzeugInnen des Widerstands im NS-Regime werden immer seltener – und sind dennoch wichtig für die Erinnerungskultur. Am 02. September konnte ein solches Gespräch in Frankfurt stattfinden: Helmuth Caspar von Moltke, Sohn der WiderstandskämpferInnen Freya und Helmuth James von Moltke verschaffte dem Publikum in der Veranstaltung „Verantwortung, Gemeinschaft, Europa“ einen allem voran persönlichen Zugang zu dem Wirken des Kreisauer Kreises. Eingeleitet wurde der Abend durch Dr. Daniela Kalscheuer, Vertreterin für das Haus am Dom, und Dr. Andrzej Kaluza vom Deutschen Polen Institut.

In seinem einführenden Vortrag ging Dr. habil. Robert Żurek von der Stiftung Kreisau für Europäische Verständigung insbesondere auf die Eigenschaften ein, die den Kreisauer Kreis als Widerstandsgruppe hervorheben, und von denen wir heute lernen können. Die Kreisauer planten kein gemeinsames Attentat auf Hitler. Stattdessen beschäftigten sie sich mit Fragen zu Vergangenheit und Zukunft: Wie konnte das NS-Regime überhaupt passieren? Welche Nachkriegsordnung muss geschaffen werden, um eine Wiederholung unmöglich zu machen? Für das heutige Europa könne man vom Kreisauer Kreis insbesondere die Wichtigkeit lernen, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen und keine Kultur der Passivität aufkommen zu lassen. „Wichtiger als die inhaltlichen Details der Pläne war der Einigungsprozess selbst“, so zitiert Robert Żurek Freya von Moltke.

Anschließend sind Dr. Anna Quirin, die Geschäftsführerin der Freya von Moltke-Stiftung und Helmuth Caspar von Moltke im Gespräch miteinander. Dr. Anna Quirin beginnt damit, dass diese Zusammenkunft nicht selbstverständlich sei, denn Helmuth Caspar von Moltke lebt in den USA. Somit sei das Gelingen des Abends besonders erfreulich. Von Moltke erlebte die Treffen der Widerstandsgruppe als Kind: Um den wahren Grund für das Beisammensein zu tarnen, wurden die Treffen des Kreisauer Kreises als Familienzusammenkünfte ausgegeben und daher waren die Kinder auch teilweise anwesend. Helmuth Caspar von Moltkes Blick auf die Geschehnisse von damals ist ein persönlicher - es sind seine Kindheitserinnerungen, an denen er die Zuhörenden mit teilhaben lässt.

Das Publikum kommt mit Fragen direkt ins Gespräch mit dem Zeitzeugen. Dabei entsteht unter anderem eine Diskussion darüber, wie der Widerstand nach der NS-Zeit gesellschaftlich wahrgenommen wurde und wie bekannt der Kreisauer Kreis im heutigen Deutschland ist. Helmuth Caspar von Moltke, der selbst nach dem Krieg nicht mehr in Deutschland aufwuchs, berichtet von den Erzählungen anderer Kinder des Widerstands, deren Familien im Nachkriegsdeutschland häufig als ‚Vaterlandsverräter‘ gesehen wurden. Es habe glücklicherweise eine Diskursverschiebung ins positive stattgefunden, was auch der 68er-Bewegung zuzuschreiben sei.

Dr. Anna Quirin beendet die Diskussion mit ihrem Schlusswort, in dem sie die Debattenkultur des Kreisauer Kreises, der aus VertreterInnen unterschiedlichster Glaubenssätze bestand, lobt und die als Vorbild für uns heute dienen könne.

Hier kann die vollständige Rede Robert Żureks nachgelesen werden.

« Zurück zu Aktuelles

Dies ist die Druckversion der Seite:
https://www.fvms.de/detailseite/archive/2022/november/article/veranstaltung-koennen-wir-kreisau-am-01-juni-2022-in-berlin.html?tx_ttnews[day]=23&cHash=731274f25fc8e83cf4fdd9155245e9bc